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Meditation in der Landschaft, Bilder von Charlotte Herzog von Berg


"Warum spricht denn niemand über die Mitte, das Zentrum meiner Bilder! Das ist doch augenscheinlich, da muss man doch darüberstolpern!" Mit diesem dringenden Appell spricht Charlotte Herzog von Berg an, was ihr zur Herangehensweise ihrer Bilder so wichtig ist. Daraufhin überprüft, bestätigt es sich es: das ideelle und strukturelle Zentrum ihrer Bilder liegt in der tatsächlichen Bildmitte. Von hier aus entfaltet sich ihre Bildwelt, von hier aus wird zugleich deren inhaltliche Dimension offenbar.

Die zentrale Fläche ist das Markenzeichen ihrer Kunst, ihre Philosophie, tatsächlicher Anfangspunkt, von dem aus sie ihre Bilder entwickelt und aufbaut. Diesen künstlerischen Prozess beschreibt die gebürtige Mannheimerin als einen spielerischen, fast tänzerischen, unglaublich lustvollen, intellektuell durchsetzten Vorgang, der all ihr angesammeltes Wissen, ihre Kenntnisse, Erfahrungen und Eindrücke, die sie vorwiegend auf ihren Reisen und den hier entdeckten Kulturen zu ihren ganz eigenen, unvergleichlichen Kompositionen führt. Noch vor Beginn ihres Studiums an der Akademie für Bildende Künste in Berlin war Charlotte Herzog von Berg der festen überzeugung, zeitgemäß abstrakt zu malen. Hierin hat sich schnell ein Wandel vollzogen. Die sichtbare Wirklichkeit hat sie über ihre Reisen eingeholt. Hier hat ihr die Natur, die Landschaft wie auch die jeweilige Geschichte, Kultur und deren Eigenheiten so viel Ansatzpunkte geboten, dass die abstrakte Wesenskunst nicht ausreichte, all diesem künstlerisch Ausdruck zu verleihen. Ein Relikt dieses einstigen Willens zur Abstraktion zeigt sich nun in diesen medialen Flächen. Hier wurden Motive wie ein Berg, eine asiatisch anmutende Skulptur eines Löwen oder eines Tempels, ein See, ein Felsen inmitten des Meeres oder eine Cham tanzende Figur ihrer Körperlichkeit entzogen und zu einer stilisierten Fläche abstrahiert. Wie Schattenrisse oder Schattenfiguren erscheinen diese entmaterialisierten Motive. Zuweilen tachiert hier Herzog von Berg die größt mögliche Nähe zur Abstraktionen aus. In diesem Fall entstehen Assoziationen, eine willkürliche Benennung - der Betrachter spekuliert, benennt, verwirft, einigt sich erneut auf eine Benennung - ein Vorgang, den die Kunstgeschichte mit dem Begriffspaar "Abstraktion - Creation" bezeichnet. Zuweilen drängen sich diese Flächen in das Bild und scheinen so ein anmutiges Geschehen, eine phantastische Landschaft stören. So empfunden, wenn das mediale Motiv in Signalrot gefärbt ist und als extrovertierter Energieherd fungiert. In blaue Farbe getaucht nehmen wir hier einen introvertierten Ruhepol wahr - in beiden Fällen wird unser Blick auf diesen meditativen Anziehungspunkt gelenkt. Die geistige Konzentration und Energie bindet die Künstlerin in der Flächenform. Gegenpol zu diesem meditativen Zentrum bietet der gestaltete Rahmen, ein zweites Charakteristikum der Kunst Charlotte Herzog von Bergs. Der Rahmen ist bei ihren Bildern aber so viel mehr als nur strukturelles Element. Angereichert mit allerlei Piktogrammen, graphischen und malerischen, schmückenden und vegetabilen Motiven folgt er keinem dekorativen Ansinnen. Sondern er bietet erzählerische Indizien zu dem abgeschlossenen Kosmos ihrer Bildwirklichkeit, mit der uns die Künstlerin konfrontiert. Diesen künstlerischen Kniff kennen wir in der europäischen Kunst seit der Romantik - ich denke hierbei an die berühmte Jahreszeitenfolge von Philipp Otto Runge oder an die Malerei und Druckgrafik des Symbolismus und des Jugendstils. Jene gestalteten Ornamentrahmen macht sich Frau Herzog von Berg zueigen und formuliert sie auf ihre ganz eigene, unvergleichliche Weise um. Wir blicken nun wie durch ein Fenster in die freie Natur, und können Herzog von Bergs "Meditation in der Landschaft" nachempfinden. überhaupt, mit ihren sprechenden Titeln bietet sie uns einen weiteren Zugang, sich auf ihre ganz eigene Art an ihren Reisen zu beteiligen. Auf Reisen nach Japan, Sri Lanka, Indien, Westafrika, Nepal, USA und dem europäischen Mittelmeerraum bezieht sie ihre Motive, Kenntnisse und Eigenheiten des Landes sowie Farbsituationen, die nun in ihren Gemälden und Radierungen intuitiv zum Vorschein kommen. Im heimischen Atelier entstehen so Capriccios, das Gesehene und Erfahrene wird nicht kopiert, sondern über die zeitliche und örtliche Distanz interpretiert. Um, erneut auf die Bildstruktur zurückzukommen: Der in Berlin lebenden Künstlerin geht es um die Anerkennung der Fläche als Grundordnung des Bildes. Die Komposition aus weiteren kleinen Teilflächen aufgebaut. Das gleichwertige Nebeneinander von Formen, die bildparallele Zerlegung des Raumes in Reliefschichten bis hin zu einem hoch angesetzten Horizont erzielen in der Gesamtheit eine Illusion von räumlicher Tiefe. Hier befindet sich Frau Herzog von Berg in der klassischen Tradition des japanischen Farbholzschnittes. Zu diesen kompositorischen Indizien gesellen sich Motive, die ihre Herkunft eindeutig aus dem japanischen, respektive fernöstlichen Kulturraum beziehen. Ich nenne nur einige: japanische Vogelhäuschen, Tempel, Wächterlöwen oder jene typisch ornamental gestalteten Wolkenformationen. In den Zielen der Darstellung findet sich ebenso Herzog von Bergs Ansinnen in der japanischen Kunst wieder, nicht die naturgetreue Wiedergabe eines Sujets, sondern die Darstellung seines Wesens, seines Charakters. Charlotte Herzog von Bergs Bilder sind ebenso lyrisch wie heiter, zuweilen durchsetzt mit einem Hauch von Melancholie. Ihre kulinarische Farbigkeit und das Repertoire an fremdartigen Motiven führen nicht nur zu sprechenden, sondern auch ansprechenden Bildern. Auch wenn Reales vorgeführt wird, so befindet sich das Dahinter im Verborgenen, bleibt letztendlich ein Mysterium, das es zu erforschen gilt. Aber nichts altertümliches, frisch, erzählerisch, lyrisch, meditativ, energiegeladen, ganz eigen und unverkennbar und aus diesem Grund weil authentisch so interessante Kunst. Farbigkeit, die Art und Weise der Darstellung wie auch die positive Ausstrahlung machen es leicht, in die Bilder einzutauchen. Sie sind traumhaft, heiter, erzählerisch, meditativ, intellektuell durchsetzt mit einem Haufen an Indizien, Tiefgang im Schopenhauerschen Sinne: Die Welt als Wille und Vorstellung geht es grundsätzlich um das kontemplative Schauen und die Läuterung des Geschauten durch den Geist und die Erinnerung des Menschen reflektiert.

Dr. Barbara Brähler, 2009


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