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Mythen der Welt

Charlotte Herzog von Berg lädt uns auf eine „Wüstenfahrt“ ein, in das „Beautiful China“ oder zu einem „Sommer in Burgund“. Sie führt uns zu den „Schätzen Kalabriens“, in einen „Botanischen Garten“ oder sogar in „Arkadische Gefilde“. Ihre Bilder erzählen von der „Sehnsucht nach der Insel“, von „Los Aromas Meditarraneos“, von einer „Hommage à Tibet“ oder schlichtweg von dem „Mythos Brandenburger Tor“. Sie führt uns ebenso in die asiatische und mediterrane Welt wie in die Welt der Sagen und Mythen, auch der modernen Mythen.

Angesichts der  Bilder bleibt uns nicht verborgen, dass Charlotte Herzog von Berg mit ihrem Mann eine große Reiselust, eine Sehnsucht nach der Ferne und eine Neugier auf fremde Länder und Kulturen verbindet. Mit dem Bild „Die reisenden Engel“ hat sie dieses gemeinsame Interesse vielleicht sogar veranschaulicht. Hier schweben zwei reich verzierte Engelsfiguren über eine angedeutete Silhouette einer fiktiven Wüstenstadt. Humorvoll, fast liebevoll mögen sich die beiden Reisenden hier - eigenwillig interpretiert – in einem orientalischen Ambiente wiederfinden.

Charlotte Herzog von Berg lässt uns auf ihre ganz eigene Art an ihren Reisen beteiligen. Auf Reisen nach Japan, Sri Lanka, Indien, Westafrika, Nepal, USA und dem europäischen Mittelmeerraum bezieht sie ihre Motive, Kenntnisse und Eigenheiten des Landes. Daneben lässt sie sich von Farben und Gerüchen inspirieren. All diese sinnlichen Eindrücke finden – ins heimische Atelier zurückgekehrt – Eingang in ihre Gemälde und Radierungen. Aus der zeitlichen und örtlichen Distanz heraus entstehen Capriccios, eine fiktive Zusammenkunft des Gesehenen, in einer Interpretation des Erlebten und Erfahrenen, angereichert mit Atmosphärischem, bis hin zu Anekdotischem.

Charlotte Herzog von Berg erzählt Geschichten – sie erzählt Geschichten ohne Worte – nur mit Bildern. Sie wählt sprechende Titel, die poetisch klingen und zugleich auf das Bild und die darin verborgene Geschichte neugierig machen. Sie legt bildnerische Fährten, die uns in eine bestimmte Atmosphäre versetzen. Und sie gibt uns mit ihren Figuren, Landschaften und Ornamenten Indizien an die Hand, aus denen sich Geschichten entwickeln.

Charlotte Herzog von Berg lädt uns mit jedem ihrer Bilder zu einer Entdeckungsreise ein. Start der Reise ist die diffuse Mitte der Bilder. An dieser prominenten Stelle bleibt Charlotte Herzog von Berg interessanterweise vage. Hier taucht in der Regel die Silhouette eines Motivs auf – dies kann das Schattenbild einer Bergkette sein, des monumentalen tibetanischen „Potala Palastes“, aber auch der  federgeschmückte Schattenriss eines so genannten „Cham-Tänzers“. Konkrete Motive wurden hier entmaterialisiert und zu einer stilisierten Fläche abstrahiert.

Hierbei möge es sich um ein Relikt aus ihrer Berliner Studienzeit handeln, die sie zuletzt als Meisterschülerin von Hann Trier verbrachte. Die junge Studentin Charlotte Herzog hat das Studium mit der festen Überzeugung angetreten, zeitgemäß abstrakt malen zu müssen. Doch ihre Reisen nach Afrika und Asien haben sie eines Besseren belehrt. Sie veränderten nachhaltig ihr Weltbild. Die sichtbare Wirklichkeit hat ihr so viel an optischer Nahrung gegeben, dass die abstrakte Wesenskunst nicht ausreichte, all diesem künstlerischen gerecht zu werden. Der Wunsch kam auf, dieses Erleben in die eigene Arbeit zu integrieren. Und diese Lust am Exotischen, das ganzheitliche Erfassen fremder Kulturen mit ihrer Historie und ihrer Mythologie dauert bis heute an und bringt bis heute wunderbare Bilder hervor.

Wir waren bei der monumentalen Mitte ihrer Bilder stehengeblieben, das Charlotte Herzog von Berg gerne als meditatives Zentrum bezeichnet. Der energetische Konzentrationspunkt in Form eines abstrahierenden Schattenrisses wird in der Regel durch einen gestalteten Rahmen umgeben. Hier wird die Künstlerin motivisch konkret. Hier geben sich allerlei Figuren aus der antiken Sagenwelt oder fernöstlichen Märchenwelt ein Stelldichein. Es finden sich Schmuckornamente, exotische oder mediterrane Pflanzen und Früchte. Auch wenn diese Motive einer streng symmetrischen Anordnung folgen, ihre Funktion geht über ein rein dekoratives Ansinnen hinaus. Und vor allem: Sie bieten reichlich Nahrung für die Bildergeschichte und lassen Rückschlüsse für die monumentale Mitte ziehen.

Der gestaltete Rahmen hat in der europäischen Kunst eine Tradition, die bis in die Epoche der Romantik zurückreicht, die Jahreszeitenfolge von Philipp Otto Runge ist hierfür das erste Beispiel. Das Stilmerkmal wurde in der Malerei und Druckgrafik des Symbolismus und des Jugendstils aufgegriffen. An jene Tradition knüpft nun Charlotte Herzog von Berg an. Wie durch ein Fenster blicken wir durch die Rahmung in die freie Natur und können Herzog von Bergs „Meditation in der Landschaft“ nachempfinden.

Der Zirkelschlag zur fernöstlichen Kunst gelingt der in Berlin lebenden Künstlerin nicht nur durch die Verwendung von Motiven aus diesem Kulturkreis. Auch bezüglich der Bildorganisation sind Charakteristika aufgenommen, jedoch auch hier ganz individuell umformuliert. Die Einflüsse sind so vielfältig, indem sie unterschiedliche Traditionen, Charakteristika der europäischen und fernöstlichen Kunst verbindet, mit Motiven anreichert, die sie teilweise jahrhundertalter Kunst entlehnt. Eigentlich schwindelerregend, doch Charlotte Herzog von Berg führt das Genannte zu einem homogen Gesamtbild.

Sie bemerken, in den Bildern Charlotte Herzog von Bergs gibt es viel zu entdecken. Sie strahlen die Sinnlichkeit eines sensiblen Menschen aus, der auf ihre Umgebung reagiert und uns an ihren Eindrücken durch ihre Bilder teilhaben lässt. Ihre Bilder sprühen vor kulinarischer Farbigkeit. Sie entäußern den „Duft der Oliven in Burgund“ oder der „ Salbeiräucherballen in Tibet“. Sie machen Lust zu entdecken und sich mit den hier angerissenen Geschichten, Mythologien, Landschaften und Gerüchen auseinanderzusetzen.

Charlotte Herzog von Bergs Bilder sind ebenso heiter wie tiefsinnig, sie sind positiv und vielschichtig, geheimnisvoll und hintergründig, spielerisch und lyrisch, meditativ und traumhaft. Zuweilen sind sie humorvoll, zuweilen durchsetzt mit einem Hauch von Melancholie. Und vor allem – sie sind authentisch.

Die gebürtige Mannheimerin bezeichnet auch den künstlerischen Prozess als einen spielerischen, fast tänzerischen, unglaublich lustvollen, intellektuell durchsetzten Vorgang, der all ihr angesammeltes Wissen, ihre Kenntnisse, Erfahrungen und Eindrücke zu ihren ganz eigenen, unvergleichlichen Kompositionen führt. Wie sie selbst sagt: „Das stetige Wachsen eines Bildes vollzieht sich ohne Brüche und Störungen, bis das optimale Blühen erreicht ist.“ Tauchen Sie in diese blühenden Bilder ein, nehmen Sie die Einladung zur Entdeckungsreise an, an deren Ende immer eine fiktive Geschichte steht.

Dr. Barbara Gilsdorf, 2013©

 

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